Digitale Ethik ist ein aktuelles und viel beschriebenes Thema. Nationale und internationale Player aus Politik und Industrie haben Leitlinien, Kodizes oder Charters entwickelt, die Digitale Ethik definieren und die Absicht erklären, nach bestimmten Werten und Prinzipien zu handeln.
Gleichzeitig tauchen immer mehr Projektvorhaben auf, die einen Schritt weiter gehen und versuchen, diese Prinzipien zu operationalisieren. Ein Ansatz dafür ist sind Digital Trust Labels, die Websites, Softwareanwendungen und Onlinedienste zertifizieren. Ähnlich wie in der Lebensmittelbranche (Beispiel: Bio-Siegel) ist das Ziel solcher Label, Produkte für Endnutzer:innen und/ oder Geschäftspartner zu so zu kennzeichnen, dass schnell informierte Kauf- oder Nutzungsentscheidungen getroffen werden können.
Im Folgenden stellen wir eine Auswahl von bisher veröffentlichten und interessanten Digital Trust Labeln und Zertifikaten vor.
Open Ethics Initiative | Open Ethics Label
Inspiriert von der Lebensmittelindustrie hat die Open Ethics Initiative das Open Ethics Label ins Leben gerufen. Das Label soll durch Transparenz das Vertrauen von Nutzer:innen in Künstliche Intelligenz stärken. Softwareentwickler:innen von KI-Systemen können das Label bei der globalen, inklusiven Initiative beantragen und werden hinsichtlich drei Schlüsselfaktoren geprüft: Trainingsdaten (Wie verwendet das System die Daten?), Algorithmen (Wie werden die Daten von dem System verarbeitet?) und Entscheidungsraum (Welche Entscheidungen werden von dem System getroffen?).
Data Nutrition Project | The Dataset Nutrition Label
Angelehnt an die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln im nordamerikanischen Markt wurde das Dataset Nutrition Label des US-amerikanischen Data Nutrition Project entwickelt. Das Ziel besteht darin, größere Transparenz zu schaffen, wie ein bestimmtes Datenset aufgebaut ist und welche Risiken mit der Verwendung einhergehen können. Bei diesen Risiken kann es sich zum Beispiel um Verzerrungen oder Vorurteile in Datensätzen, oder auch um eine fehlende ethische Review der Daten handeln. Ein Data Scientist auf der Suche nach einem Datenset kann nun auf dieses Label zurückgreifen und mögliche Risiken frühzeitig identifizieren. Mit seiner Arbeit möchte das Projektteam Fortschritt durch Technologie vorantreiben und verhindern, dass bestehende systemische Ungerechtigkeit in dieser gespiegelt wird.
AI Ethics Impact Group, Bertelsmann Stiftung | From Principles to Practice – An interdisciplinary framework to operationalise AI ethics
Im Jahr 2020 hat AI Ethics Group, ein interdisziplinäres Konsortium unter der Leitung des VDE e.V. und der Bertelsmann Stiftung, ihr Operationalisierungs-Framework für KI-Ethik veröffentlicht. Dieses enthält u.a. ein AI Ethics Label, welches optisch und strukturell angelehnt an die Darstellung von Energieeffizienzklassen die ethische Bewertung eines KI-Systems darstellt. Die Bewertungen von A bis G werden in sechs Kategorien vergeben, zu denen Transparenz, Verantwortlichkeit, Privatsphäre, Gerechtigkeit, Zuverlässigkeit und Umweltfreundlichkeit zählen.
From Principles to Practice – An interdisciplinary framework to operationalise AI ethics (PDF)
EU Next Generation Internet Initiative | Trustmark for the Internet
Die Trustmark for the Internet ist ein im Jahr 2020 von der EU-Initiative NEXT GENERATION INTERNET gegründetes Label. Es richtet sich an Websites, Online-Dienste und Apps und überprüft diese anhand von bestimmten Kriterien. Zu diesen Kriterien zählen Cyber-Sicherheit, Privatsphäre und Datenschutz, Transparenz, Verzerrungen und Vorurteile, Rechenschaftspflicht und Nachhaltigkeit. Um die komplexen Ergebnisse der Analyse schnell und leicht verständlich darzustellen, soll hierfür auf eine Ampeldarstellung, mit der Möglichkeit weitere Informationen aufzurufen, zurückgegriffen werden. Das Ziel der Initiative besteht darin, mit dem Label überprüfte Anbieter hervorzuheben und für Nutzer:innen sichtbarer zu machen.
Trustmark for the Internet (PDF)
Deutsches Institut für Normung (DIN) | Normungsroadmap KI
Aufgrund der fehlenden zuverlässigen Qualitätskriterien und Testverfahren für KI-Systeme, hat das Deutsche Institut für Normung im Jahr 2020 eine Normungsroadmap für KI gestartet. Mithilfe dieser sollen standardisierte Testverfahren und Maßstäbe für KI-Systeme entwickelt werden. Das Bestehen dieser Tests und Verfahren durch KI-Systeme erlaubt es diesen, einen bestimmten Standard zu zertifizieren und Konformität zu bescheinigen. Da es noch keine vergleichbare Lösung auf der Welt gibt, hat das Deutsches Institut für Normung sich zum Ziel gemacht, diese zu entwickeln.
Normungsroadmap KI (PDF)
Danish government & The Danish Industry Foundation | D-seal: Seal for Data Ethics
Als Motivation für einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten hat die dänische Regierung zusammen mit The Danish Industry Foundation 2019 das D-Seal ins Leben gerufen. Das Label soll teilnehmenden Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem der ethische und vertrauensvolle Umgang mit Daten bescheinigt wird. Insgesamt werden 8 verschiedenen Kriterien untersucht, so zum Beispiel, ob das Topmanagement Verantwortung für die IT-Sicherheit und Datenverwendung übernimmt und ob Nutzer:innen aufgeklärt werden, welche Daten von ihnen benötigt werden und wofür diese verwendet werden. Weiterhin werden auch die verwendeten Algorithmen sowie die Datenweitergabe und die Verwendung an und von Subunternehmern untersucht. Neben den Unternehmen sollen auch die Nutzer:innen von dem Label als Orientierungshilfe profitieren.
Fraunhofer IAIS | Vertrauenswürdiger Einsatz von Künstlicher Intelligenz
KI-Anwendungen bringen ein disruptives Potenzial mit sich, welches dazu führt, dass die Übereinstimmung mit philosophischen, ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen gewährleistet sein muss. Zu diesem Zweck hat das Fraunhofer IAIS 2019 eine KI-Zertifizierung entwickelt die unter dem Dach von Ethik & Recht sechs Grundwerte und deren Umsetzung und Einhaltung in der KI-Anwendung untersucht. Hierzu zählen zum Beispiel, Autonomie & Kontrolle, Fairness, Verlässlichkeit und auch Transparenz. Der sich daraus ergebene Prüfkatalog ermöglicht es akkreditierten Prüfer:innen, KI-Anwendungen fachkundig und neutral zu beurteilen.
Vertrauenswürdiger Einsatz von Künstlicher Intelligenz (PDF)
Leitfaden zur Gestaltung vertrauenswürdiger Künstlicher Intelligenz – KI-Prüfkatalog (PDF)
Agencie-Lucie | Le label Numérique Responsable
Das von der französischen Agencie-Lucie gestartete NR-Label befasst sich mit dem digitalen ökologischen Fußabdruck von Organisationen. Mit der digitalen Transformation gehen große Umweltherausforderungen einher, die noch zu selten im Fokus gesellschaftlicher Diskussion stehen und zu wenig angegangen werden. Durch den Boom des Energieverbrauchs, die Zunahme von Treibhausgasemissionen, Boden- und Luftverschmutzung und die Verwendung nicht erneuerbarer Ressourcen nimmt dieser Fußabdruck stetig zu. Das NR-Label zeichnet Organisationen aus, die verantwortungsvolle digitale Technologie einsetzen und sich es zum Ziel gemacht haben, den ökologischen, ökonomischen und sozialen Fußabdruck von Informations- und Kommunikationstechnologien zu verringern. Unterstützt wird das NR-Label außerdem von staatlichen französischen Institutionen, Universitäten und Unternehmen aus der freien Wirtschaft.
Le label Numérique Responsable
Collective effort: Consumer Reports, Disconnect, Ranking Digital Rights, The Cyber Independent Testing Lab | The Digital Standard
Der The Digital Standard ist im Jahr 2018 aus einem Zusammenschluss mehrerer Non-Profit-Organisationen entstanden. Die Aufgabe des Frameworks ist es, Verbraucherwerte wie Privatsphäre, Sicherheit und Eigentum zu messen und Best-Practices aus dem Umgang mit diesen zu definieren. Bei dem Aspekt der Sicherheit wird darauf Wert gelegt, dass elektronische Geräte und Software sicher gebaut sind und das Risiko von zum Beispiel Malware reduziert wird. Das Ziel für den Verbraucherwert Privatsphäre ist es, dass diese für den Kunden gewahrt bleibt und gespeicherte Kundendaten gesichert und überwacht gespeichert werden. Die Regelung zu dem Produkt-Eigentum sollte es dem Konsumenten erlauben, das Produkt nach dem Kauf weiter zu veräußern, zu verändern oder zu reparieren. Ergänzt wird das Framework zusätzlich noch durch Governance-Regelungen, die besagen, dass Unternehmen sich ethisch korrekt verhalten sollen und mit Ihren Produkten unter anderem freie Meinungsäußerung schützen sollen.